Black Country Communion

Schweiß auf der Gänsehaut

»Wir sind eine Live-Rock’n’Roll-Band, wie es sie in den Siebzigern gab«, schwärmt Glenn Hughes schon seit Monaten über seine neue Gruppe Black Country Communion. Nach Beginn der Albumaufnahmen im Frühjahr dieses Jahres mischte sich zwischenzeitlich jedoch ein Anflug bitterer Verzweiflung in die Euphorie des 58-Jährigen.

TEXT: DANIEL BÖHM

London, John Henry’s Rehearsal Studio (2011): »Wir sind eine Live-Rock’n’Roll-Band, wie es sie in den Siebzigern gab«, schwärmt Glenn Hughes schon seit Monaten über seine neue Gruppe Black Country Communion. Nach Beginn der Albumaufnahmen im Frühjahr dieses Jahres mischte sich zwischenzeitlich jedoch ein Anflug bitterer Verzweiflung in die — wie wir inzwischen wissen — wohlbegründete Euphorie des 58-Jährigen, der in den Siebzigern als Bassist und Sänger von Trapeze, Deep Purple oder später Black Sabbath zur Legende wurde.

Fast hätte sich das um Gitarrist Joe Bonamassa, Keyboarder Derek Sherinian (Dream Theater, Alice Cooper) und Schlagzeuger Jason Bonham (Foreigner) zur Supergroup aufgestockte Großprojekt sogar zermürbt aufgelöst: Bonamassa sei so sehr mit der eigenen Karriere als immer heller strahlender Bluesrock-Star beschäftigt, dass gemeinsame Tourneepläne gebremst werden könnten. »Wäre das meine eigene Band, dann würden wir in den Tourbus steigen an dem Tag, an dem die CD erscheint.«

Die Wogen haben sich geglättet, und die Black Country Communion hat sich als kompromissfähige Demokratie bewiesen. Das Album-Debüt (Rezension im letzten Heft) erobert die Verkaufs-Charts und landet in Deutschland auf Platz 15. Und auch seinen besonderen Willen hat Hughes bekommen. Ein Tourbus musste nicht gechartert werden, aber immerhin ein exklusives Konzert am Tag der LP-Veröffentlichung war für ihn drin. Ein ganz besonderes Erlebnis — für ihn wie für die gerade mal hundert Gäste, die in John Henry’s Rehearsal Studio in Londons Norden die Bühnen-Premiere der Kapelle begutachten.

Schon bevor die Band zu den Instrumenten greift, ist es brüllend heiß in dem winzigen, komplett mit Teppich ausgelegtem Raum. Der feurige Auftritt der Debütanten tut sein Übriges. Intensiv, intim und buchstäblich schweißtreibend gerät die Show des Vierers, der vom bestens aufgelegten Hughes als die Band mit »dem irgendwie mexikanisch ausschauenden Typen« (Sherinian), »The Redneck« (Bonham) und »The Kid« (Bonamassa) vorgestellt wird; er selbst nennt sich »The Old Man«.

Konnte man über die Notwendigkeit der Rekrutierung von Jason Bonham, dem „Berufssohn“ von Led-Zep-Drummer John, im Vorfeld zumindest leicht die Nase rümpfen, so zerschlägt der Mann in unmittelbarster Nähe mit vollem Körper- und Seeleneinsatz jeden Vorbehalt: Was für ein aufopferungsvolles Tier von einem Trommler! Bonamassa lässt leger im Anzug und mit neuer Brille den Classic-Rocker von der Kette und spielt genüsslich mit mehr Verzerrung als gewohnt; und obwohl Sherinian mit seiner Hammond-Orgel am linken Bühnenrand etwas arg weit draußen abgestellt wurde, erklingt er merklich dominanter auf als auf Platte.

Die hervorragenden Live-Versionen von ›Black Country‹, ›One Last Soul‹, ›Beggarman‹, das formidable Trapeze-Cover ›Medusa‹, ›Sista Jane‹ sowie die fulminanten Höhepunkte und Gänsehauttreiber ›Song Of Yesterday‹, ›Stand (At The Burning Tree)‹ und ›The Great Divide‹ liefern eindrückliche Erklärungen dafür, weshalb Glenn Hughes offenkundig den allergrößten Spaß von allen hat. Seine strahlenden Blicke bedeuten: Ich hab’s euch doch gesagt — wir sind eine echte Band. Und dazu eine verdammt gute.

»Lasst uns das Ding hier auf Tournee bringen!«, hört man Hughes nachher laut und euphorisch. 2011 soll es tatsächlich so weit sein.
 


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