Audiovisuelle Konzertdokumente von Alice Cooper sind immer ein Mordsspaß und mindestens aus rockhistorischer Perspektive interessant. In seinen fünf zurückliegenden Karrierejahrzehnten hat sich der Zeremonienmeister musikalisch immer wieder neu erfunden und dazu die unterschiedlichsten Bandkonstellationen um sich geschart — auch die sich fortwährend wandelnden Showelemente und Kulissen seines „Schock-Rock“-Theaters haben in allen Schaffensphasen zum nicht nachlassenden Unterhaltungswert beigetragen.
Nicht sehr geläufig ist dieses Artefakt vom 9. April 1979 aus der San Diego Sports Arena in Kalifornien. Noch im selben Jahr als TV-Spektakel gesendet und wenig später als Kaufvideo angeboten, dokumentiert The Strange Case Of Alice Cooper das Wirken des Sängers nach seiner Selbsteinweisung in eine Entzugsklinik, die ihn 1978 zu dem Konzeptwerk From The Inside inspirierte. Die herrlich absurden Geschichten aus der Klapse schienen wie gemacht für eine neue Cooper-Show und wurden zünftig weitergesponnen: Riesige Zyklopen-Monster im Doktoren-Dress wanken umher und drohen mit einem brutal großen, mit Wahrheitsserum aufgezogenen Spritzbesteck; immer wieder werden allerhand Symbolkämpfe gegen den Dämon Alkohol ausgetragen, denen der Amerikaner auch im wirklichen Leben ausgesetzt war.
Welcome To My Nightmare gelte als die bei weitem theatralischste seiner Bühneninszenierungen, stellt Cooper im sehr charmanten Audiokommentar fest. Tatsächlich aber sei The Strange Case Of Alice Cooper von der ersten Sequenz des einleitenden Filmeinspielers an um ein Vielfaches extravaganter und opulenter geraten. Man glaubt es sofort. Tänzerinnen und Tänzer mit und ohne Kostümierungen und weiteres, ganz unmittelbar am Vaudeville gebautes Tamtam — da ist schwer was los auf der Bühne, auf der zum letzten Mal der elektrische Stuhl als Exekutionsmaschine zum Einsatz kommt.
Auch die Liedauswahl mit reichlich Stoff von From The Inside macht diesen Konzertfilm mächtig attraktiv für Cooper-Historiker. Zumal sie von einer außerordentlich exotischen und nur kurzlebigen Bandbesetzung und mit deutlich mehr Schärfe dargeboten wird als auf der LP: Davey Johnstone, in den Siebzigern eigentlich Gitarrist von Elton John, inszeniert sich an der Seite von Steve Hunter als astreiner Hardrocker; Bassist Prakash John, Keyboarder Fred Mandel und Pentti „Whitey“ Glan (einst Schlagzeuger von Lou Reed und seit Welcome To My Nightmare immer wieder sporadisch im Show-Orchester von Alice Cooper) komplettieren mitsamt zwei anonym hinter der Bühne geparkten Chorsängerinnen den eigenwilligen Musikantenstand.
Auszüge von The Strange Case Of Alice Cooper (›Welcome To My Nightmare‹, ›From The Inside‹, ›No More Mr. Nice Guy‹ und ›How You Gonna See Me Now‹) wurden nach aufwendiger Restaurierung in erheblich besserer Bild- und Tonqualität bereits auf der Zusammenstellung Prime Cuts veröffentlicht. Ersetzen können sie das erst zwei Dekaden nach der Aufführung wieder offiziell erhältlich gemachte Gesamtspektakel nicht: Zu spannend ist das Zeitfenster der Entstehung in den letzten Monaten der Siebziger, als die Musikwelt und mit ihr zwangsläufig die Karriere von Alice Cooper einen herben Umbruch erlebte.
Wer es lieber klassischer mag, vergnügt sich mit Good To See You Again: ein prächtiger Mitschnitt der 1973er Billion Dollar Babies-Tournee, der — unterbrochen von allerhand albernen Filmsequenzen, die an eine moderate Variante des Beatles Nonsense-Knüllers Magical Mystery Tour erinnern — ein Jahr später in Kinos zu sehen war.








