Opeth standen noch nie im Verruf, sich musikalisch zu wiederholen. Und so ist auch In Cauda Venenum (dt.: Am Ende das Gift) ein ganz besonderes Artefakt in der Geschichte von Mikael Åkerfeldts Ensemble geworden.
Erste Hörproben lassen ein gewaltiges und stimmungsintensives Album erwarten, auf dem die Schweden ihre Vergangenheit im extremeren Metal konsequent hinter sich gelassen haben. Geradezu befreit und ideenreich leben sich die Musiker auf dem Nachfolger von Sorceress (2016) als Vertreter des Art- und Progressive Rock aus. »Ich wollte große Gesten und große Emotionen in Extremen«, sagt Åkerfeldt.
Insbesondere die schwedische Version des Albums, die er als die Hauptausgabe von In Cauda Venenum betrachtet, lässt seinen gewundenen Gesang noch charismatischer und poetischer wirken. »Bislang bin ich an jedes Opeth-Album herangegangen, als wäre es das letzte«, erklärt er.
»Bei diesem war das nicht anders. Was nicht bedeutet, dass ich die Absicht hätte, die Band dranzugegeben. Es hat aber einen positiven und sehr stimulierenden psychologischen Effekt auf mich, neue Musik zu entwickeln und anzusteuern, als wäre sie tatsächlich mein letztes Statement und Vermächtnis.«
Dabei verfolgte er ursprünglich eine gänzlich andere Absicht, gibt er schmunzelnd zu. »Als wir im November 2017 die Sorceress-Tournee beendet hatten, habe ich beschlossen, ein Jahr Auszeit von Opeth zu nehmen. Das war mein Plan. Zwei Monate später stand ich aber doch wieder in meinem Studio und war mittendrin in der Arbeit an einem neuen Album. Kreativ zu sein und neue Musik zu erschaffen fand ich schon immer viel faszinierender und erfüllender als Konzerte zu spielen. Die Idee zu den zwei Sprachversionen kam mir, als ich meine Kinder eines Morgens zur Schule gebracht habe. Eigentlich wollte ich die Songs nur in meiner Muttersprache einsingen, hatte dann aber doch die Befürchtung, dass mir am Ende kein Mensch mehr zuhören würde.«
In Cauda Venenum verdeutlicht einmal mehr, wie tief Van der Graaf Generator, Gentle Giant, Jethro Tull, Yes und King Crimson mittlerweile in die DNS von Opeth eingegangen sind.
Nach dem beklemmenden Intro ›Livets Trädgård‹, das kunstvoll den Vorhang zu einer nebelverschleierten Szenerie aufzieht, bricht ›Dignity‹ über den Hörer herein, das sich in Riffs, Voicings und Rhythmen deutlich auf die alten Vorbilder beruft und doch eine typische Opeth-Nummer mit pastoralen Melodien darstellt. Dagegen riffen ›Hjärtat Vet Vad Handen Gör‹ (›Heart In Hand‹) und grollen ›De Närmast Sörjande‹ (›Next Of Kin‹) als Melancholie-Monolithen, die sich noch am ehesten am Vorgänger Sorceress orientieren und ordentlich die Muskeln spielen lassen, gleichwohl aber auch einen ziemlichen Swing entfachen.
Das sowohl in der englischen als auch schwedischen Version gleich betitelt ›Charlatan‹ dagegen überfällt und überwältigt mit tiefergelegten, ostinaten Heavy-Riffs, über die Åkerfeldt seinen beschwörenden Gesang spannt, während Joakim Svalberg mit unheimlichen Mellotronstreichern, einem dissonanten, leicht verzerrt gespieltem Orgelthema und einer tüchtig grundierenden Kirchenorgel effektiv eine unbehagliche Horroratmosphäre aufbaut. Abschließende Hörspielsequenzen und tief in Hall gebettete Mönchsgesänge verstärken diese noch.
Ab hier wird der Grundton der Platte impressionistischer, verträumter, freundlicher und filigraner. Eine akustische Konzertgitarre lullt zu Beginn ›Banemannen‹ (›The Garroter‹) ein, bevor ein jazziger Orchester-Walzer mit maliziöser Basslinie zum Tanz im Seelenabgrund einlädt. Im vielschichtigen ›Continuum‹ brilliert Fredrik Åkesson mit einem furiosen Wah-Wah-Solo, während das überragende ›All Things Must Pass‹ mit seinem hymnischen Finale noch lange nachwirkt, nachdem die Platte zu Ende ist.