Porcupine Tree

Closure/Continuation

Kscope
VÖ: 2022

Tradition/Innovation

Es ist alles da, was Porcupine Tree bis zu ihrem Entschwinden nach The Incident (2009) auszeichnete: die gewaltigen Metal-Riffs, die vertrackten Rhythmen, die anrührende Melancholie der Balladen — und auch das angenehme Gefühl, in der Musik der mittlerweile zum Trio geschrumpften Prog-Autorität Pink Floyd mit Tool kollidieren zu hören. Die Briten um Steven Wilson liefern auf Closure/Continuation durchaus den Stoff, auf den ihre Fans seit über zehn Jahren gewartet haben. Dass sie sich bei ihrem kaum mehr für möglich gehaltenen Comeback von kommerziellem Kalkül haben leiten lassen, kann man der Band allerdings nicht vorwerfen.

Die 1987 gestarteten Porcupine Tree erfinden sie sich nicht neu, tun aber dennoch Dinge, die sie bislang nicht getan haben. Und es gibt viel Schräges, Sperriges — wenn auch meist im Detail: ›Harridan‹ etwa beginnt mit einem ungewöhnlichen Bassriff, der den ganzen Song trägt, der eine hypnotische Wirkung entfaltet. Wobei Richard Barbieris Keyboard-Klangmalereien die Atmosphäre ungemein verstärken — hier wie überhaupt auf dem gesamten Album. ›Of The New Day‹ setzt die Tradition der Über-Ballade mit einem Dreh ins kaum bemerkbare und doch hochkomplexe Taktmaß fort. Bands, die ›Trains‹ oder ›Lazarus‹ gecovert haben, werden sich auch daran versuchen — und scheitern.

›Rats Return‹ klingt genauso hinterhältig, krank und fies wie der Titel verspricht. Kein Wunder, ist im Text doch die Rede von Tyrannen von Dschingis Khan über Pinochet bis Mao Tse Tung. Ganz anders ›Walk The Plank‹, das man eher auf einem Solo-Werk Wilsons erwartet hätte: Hier regiert kühle Elektronik, dazu betont ausdrucksloser Gesang; die Klangästhetik und die fehlende Songstruktur erinnern gar an Alex Lifesons jüngstes Projekt Envy Of None.

Durchweg hörenswert sind auch die Bonustracks, die leider nur auf Sondereditionen erhältlich sind, besonders ›Love In The Past Tense‹. Es beginnt mit einem federleichten Akustikgitarren-Intro, das einen Song einleitet, der sich wie ein Flussdelta in melodiöse Seitenkanäle ergießt, die ihre Wirkung auch ohne großes Drama entfalten.

(8.5/10)

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