Jethro Tull

The Zealot Gene

InsideOut
VÖ: 2022

Beschauliches fürs Kaminfeuer

Nach 18 Jahren legt Ian Anderson wieder ein Album unter dem Bandnamen Jethro Tull vor — und man darf getrost fragen: Warum? Die Musik klingt nicht anders als sein Solo-Schaffen. Den Fan wird es nicht stören, denn Anderson und seine Band liefern die bekannten Zutaten: beschauliche, barock verschnörkelte Musik, am besten zu genießen am offenen Kaminfeuer eines weitläufigen Anwesens.

Manches klingt gar so lieblich verspielt, als wolle der Meister seinem bisherigen Repertoire ein weiteres Weihnachtsalbum hinzufügen. Das Spektrum reicht von Anklängen an die Folk-Phase der Band (›Mrs Tibbets‹) über verhuschte Blues-Beigaben (›Jacob’s Tales‹) bis zu ganz ruhigen intimen Klängen in ›Three Loves, Three‹ und ›Sad City Sisters‹ — letzteres mit Akkordeon aufgehübscht. Auf der anderen Seite wird der so verwöhnte Zuhörer geweckt von fetten Riffs im Titelsong und in ›Barren Beth, Wild Desert John‹.

Wobei der Gesang des Chefs etwas müde klingt. Wie überhaupt Andersons Stimme, bereits seit langem ein großes Problem, gerade eben noch so produziert ist, dass sie den Songs gerecht wird. Aber kaum verlässt er seine Komfortzone, klingt es angestrengt und man vermisst die frühere wandlungsfähige Vitalität. Vermissen wird man bald auch die bissige Gitarre von Florian Opahle, der hier noch mitgewirkt hat, aber künftig eigene Wege geht.

(7/10)

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