Die physische Wucht eines im Saal erlebten Porcupine Tree-Konzerts kann auch dieses 2010 in Chicago und in der Londoner Royal Albert Hall mitgeschnittene Tondokument nicht wiedergeben. Es ist mehr als die werkgetreue Umsetzung von Studiovorlagen: Man spürt den Herzschlag, und der ist kein Metronom, sondern Teil eines sehr lebendigen Organismus.
Auf der ersten CD spielt die Band das Album The Incident in Gänze. Das Opus zeigt erstklassige Handwerker bei der Arbeit, die das Ethos des virtuosen Spiels längst als Minimalvoraussetzung hinter sich gelassen haben, um eine neue Ebene des Ausdrucks zu erklimmen. Die zweite CD bietet eher selten gespieltes und neu arrangiertes, älteres Material. Die gekonnte Aufarbeitung des Frühwerks ›Even Less‹ kann dem Einsteiger aufs Farbenfrohste vermitteln, was kinematographisches Komponieren jenseits von Pink Floyd bedeutet.
Das in dieser Form nie im Studio aufgenommene ›Dislocated Day‹ pendelt zwischen Abend- und Morgenland und fußt auf einem feingewebten Groove, der ohne die magische Präsenz von Drummer Gavin Harrison und Bassist Colin Edwin nicht denkbar wäre. Beide spielen nicht Rhythmus, sie sind Rhythmus, der Puls, das Herz. Darauf setzen Wilson, Keyboarder Richard Barbieri und Tour-Gitarrist John Wesley warme, farbige Klangflächen, effektvoll durchbrochen von Steven Wilsons kurzen, irrlichternden Gitarrensoli.