Van Halen

For Unlawful Carnal Knowledge (Expanded Edition)

Rhino
VÖ: 2024

Hardrock-Kunst mit Bohrmaschine

Nicht als „Deluxe Edition“ wird dieses neu geschnürte Paket von For Unlawful Carnal Knowledge verkauft sondern als „Expanded Edition“. Was zwar durchaus den Tatsachen entspricht, aber letztlich trotzdem ein Euphemismus aus dem Marketing-Schönsprech-Handbuch ist. Enthalten sind — neben dem originalen neunten Album der Hardrock-Legende auf CD und einer weiterhin nicht separat angebotenen Doppel-LP — ein bereits bekannter Single-Edit von ›Right Now‹ mit Orgel-Solo, ein weiterer Edit mit Gitarrensolo von seiner Majestät King Ed I. sowie eine dann zur Abwechslung tatsächlich reizvolle Instrumentalversion von ›The Dream Is Over‹. Aufmerken lässt vor allem der Live-Mitschnitt Live At The Westend Market, Dallas, TX (12. April 1991) auf Blu-ray und Audio-CD: Ein kostenfreies Nachhol-Konzert, das Sänger Sammy Hagar drei Jahre zuvor versprochen hatte, weil er während der laufenden Tournee seine Stimme verloren hatte. Und eines, das sich hören lassen kann in seinem hohen Tempo der recht ungehobelten Gitarrenansprache. Tja. Das war’s dann leider auch schon. Davon abgesehen ist For Unlawful Carnal Knowledge immer ein Erlebnis.

Drei Jahre war es her, dass sie zum letzten Mal ein Album aufgenommen hatten. Drei Jahre, in denen sich eine ganze Menge verändert und entwickelt hat — in der Pop-Musik genauso wie im Hardrock und Heavy Metal, der 1990 um einiges reifer und auch härter geworden war. Für ihr neuntes Studiowerk hatten Van Halen deshalb Großes im Sinn: Ein imposantes Statement, das ihre Band und autoritäre Kraft ins nächsten Jahrzehnt wuchten sollte. Ein ganzes Jahr lang feilten sie an ihrer dritten LP mit Sammy Hagar, deren Titel meist zu „F.U.C.K.“ abgekürzt wird. Andy Johns, der als Produzent bereits für die Rolling Stones, Led Zeppelin und Rod Stewart gearbeitet hatte, betreute die Aufnahmen und leistete ganze Arbeit, die Rhythmusgruppe in starker Anlehnung an Jimmy Page & Co. zu inszenieren — erst zum Schluss wird auf Sammy Hagars Wunsch zusätzlich Ted Templeman eingespannt. Es entsteht nicht nur die stimmigste aller LPs der Ära nach David Lee Roth, sondern auch die härteste. Ganz ohne Synthesizer. Legendär sind die Bohrmaschinen-Einsätze in ›Poundcake‹, ›Judgement Day‹ treibt wie keine zweite Nummer der Combo, und in ›The Dream Is Over‹, ›Right Now‹ und dem famosen Abschluss ›Top Of The World‹ wird die Kombination von intelligentem, bis ins letzte Detail ausgetüfteltem Hardrock, Virtuosität und Chart-Tauglichkeit zur Kunst.

Album: 9,5

(8/10)
TEXT: DANIEL BÖHM

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Cover von ROCKS Nr. 106 (03/2025).