Vulture

Zurück ins goldene Jahrzehnt

Geschwindigkeitsbeschränkungen ignorieren Vulture für gewöhnlich. Das dritte Album der Speed-Metaller fällt dennoch weniger extrem aus als der Vorgänger. Die Wirkung ist groß.

In der Metal-Szene zeichnet sich die Entwicklung bereits seit Jahren ab: Immer mehr junge Musiker frönen dem Gründer-Sound der Achtziger und zelebrieren ihn so voller Inbrunst und mit allen Klischees, als wären sie seinerzeit in der vordersten Reihe mit dabei gewesen.

Auch die 2015 in Nordrhein-Westfalen gegründeten Vulture gehören zu jener Sorte Bands. »Wir stehen total auf diesen Metal-Kitsch«, bekennen sich Gitarrist Stefan „Genözider“ Castevet und Schlagzeuger Gereon „Deceiver“ Nikolay zu ihrer Schwäche für gewisse Genre-Accessoires. »Nicht allein die Musik sollte eben unterhalten, sondern das Gesamtpaket. Eine Band sollte etwas verkörpern und repräsentieren und sich vom Einheitsbrei abheben. Aber irgendwo hört es dann auch mal auf: Wir reden uns immer noch mit Vornamen an, und nicht mit unseren Pseudonymen«, scherzt Nikolay.

Auch musikalisch haben Vulture einiges zu sagen, die den Status des Geheimtipps nach einer EP (Victim Of The Blade, 2016) und den Alben Victim Of The Blade (2017) und Ghastly Waves & Battered Graves längst hinter sich gelassen haben. Der lupenreine und technisch ganz ausgezeichnete Speed-Metal des Quintetts gehört spätestens nach dem vor drei Jahren erschienenen Zweitwerk zum Besten und Aufregendsten, was das Genre zu bieten hat: Den ereignisreichen Arrangements und den clever ineinandergreifenden Riff- und Solo-Strecken ist dies ebenso zu verdanken wie der stilechten und überaus atmosphärischen Produktion, die wie ein Überbleibsel aus dem goldenen Jahrzehnt des Metal klingt.



»Darauf legen wir besonders viel Wert«, so Nikolay. Auch auf dem dritten Album Dealin’ Death. »Unser Produzent Marco Brinkmann ist zugleich ein enger Freund seit frühen Schultagen und teilt unsere Sound-Vorstellungen total. Er hat sogar extra einen Producer von damals kontaktiert, um sich Tipps zu holen, wie er unserer Produktion einen originalgetreuen Sound geben kann.«

In einer Hinsicht unterscheidet sich das neue Werk ganz besonders von Ghastly Waves & Battered Graves, das nicht bloß wegen des unberechenbaren Jauchz-Gesangs von Leo Steeler bei aller Finesse recht extrem und fordernd geraten war: Dealin’ Death ist weit weniger verschachtelt geraten und tendiert ein wenig stärker zum klassischen Heavy Metal.

»Die Stücke auf unserem letzten Album waren überwiegend sehr schnell und so komplex, dass wird das auf Dealin’ Death nicht weiter auf die Spitze treiben konnten oder wollten«, bestätigt Castevet. »Deshalb haben wir uns diesmal für die etwas straightere Gangart entschieden, was sich auch bei unseren Konzerten bemerkbar machen und positiv auszahlen dürfte. Die neuen Sachen lassen sich einfach viel besser spielen.«

Oder besser: sie ließen sich besser spielen, korrigiert er. »Das ist jetzt eine sehr spannende Phase für uns als Musiker — aber auch als normale Bürger im Hinblick auf unsere private und berufliche Situation. Mit Speed Metal konnte schon vor der Pandemie niemand mehr seinen Lebensunterhalt bestreiten. Ambitionen, Bock und Spaß an der Musik haben wir reichlich, doch es muss eben alles realisierbar sein.«

Ein zweites großes Steckenpferd der Band sind Horrorfilme, die überwiegend als Grundlage für ihre Texte dienen. Allerdings nicht etwa die Slasher-Streifen aus den Achtzigern, so der Gitarrist, dessen Blick noch gut zwanzig Jahre weiter in der Zeit zurückreicht. »Ich bin ein sehr großer Fan von Vincent Price und habe im letzten Jahr fast seine komplette Filmografie durchgeschaut. Bei den damaligen Werken stand noch echte Schauspielkunst mit Ausdruck in Mimik und Gestik im Mittelpunkt — sie haben eher das Flair beklemmender Kammer- oder Theaterstücke.«


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